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Kafarnaum – die „Stadt Jesu“

13. Mai 2023 in Buchtipp, keine Lesermeinung
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Leseprobe 2 aus dem Buch „Mit Hacke und Schaufel Jesus auf den Spuren“ von Karl-Heinz Fleckenstein


Linz (kath.net)

Kafarnaum, hebräisch Kfar Naḥūm das Dorf des Nachum, war zur Zeit Jesu ein Fischerdorf in Galiläa am Nordufer des Sees Genezareth. Gleichzeitig handelte es sich um einen Grenzort. Hier war ein römisches Truppenkontingent stationiert unter dem Befehl eines Zenturions, obwohl die Region unter der Herrschaft der Söhne des Herodes stand. In Galiläa regierte Antipas, und in Gaulanitis Philippus. Kafarnaum war an einer Nebenstraße der Via Maris gelegen, die in Richtung zu Betsaida und weiter nach Damaskus im Nordosten verlief. Das bestätigt ein aufgefundener Meilenstein aus der Zeit des Kaisers Hadrian (117 - 138 n. Chr.), der dem Reisende anzeigte, wie weit es noch zur nächsten Stadt war.

Händler brachten Seide und Gewürze von Damaskus mit und tauschten sie für getrocknete Früchte und Fische. Trotzdem war das Dasein der einfachen Menschen karg und mühevoll. Ohne großen Luxus. Die meisten lebten vom Ertrag des Ackerbaus: von Weizen, Datteln, Öl und verschiedenen Obstsorten. Als Haupteinnahmequelle galt der Fischfang. Täglich fuhren die Boote vom kleinen Hafen auf den See hinaus. Das war der soziale Hintergrund, auf dem sich viele Geschehnisse, die in den Evangelien berichtet werden, abspielten. Die übrig gebliebenen Ruinen sind bis heute noch stumme Zeugen dieser Ereignisse.

Kafarnaum spielt im Neuen Testament als „Stadt Jesu“ eine wichtige Rolle, wie Matthäus 4,12-15 berichtet: „Als Jesus hörte, dass man Johannes ins Gefängnis geworfen hatte, zog er sich nach Galiläa zurück. Er verließ Nazareth, um in Kafarnaum zu wohnen, das am See liegt, im Gebiet von Sebulon und Naftali.“ In Mt 8,5–13 wird der in Kafarnaum stationierter Hauptmann erwähnt, der von Jesus die Heilung seines Knechts erbat. Auch die Heilung der Schwiegermutter des Simon Petrus wird dort lokalisiert (Mk 1,29–31). Einige der Jünger Jesus stammten aus Kafarnaum: die Brüderpaare Simon Petrus und Andreas, sowie Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus. In Kafarnaum geschah die Heilung der blutflüssigen Frau (Lk 8, 43-48), des Mannes mit der verdorrten Hand ( Mt 12, 9-14), die Auferweckung der Tochter des Jairus (Mk 5, 21-43), die Heilung des Gelähmten, der mit dem Bett durch das Dach herunter gelassen wurde ( Mk 2, 1-12), die Berufung des Levi, genannt Matthäus, während er am Zoll arbeitete und das darauf folgende Festmahl in seinem Haus zusammen mit anderen Zöllnern (Mt 9,9-13). Nach der Brotvermehrung im Gebiet von Tabgha lehrte Jesus nach Johannes 6,22–59 in der Synagoge von Kafarnaum die Menschen über das „Himmelsbrot“. In Lukas 10,15 sprach Jesus ein hartes Gerichtswort über die Stadt, weil ihre Einwohner die Botschaft von Jesus ablehnten.

Die Erkundung von Kafarnaum begann bereits 1838, als der amerikanische Palästina-Forscher Edward Robinson die Stätte so beschrieb: „Kafarnaum wirkt  öde und bedauernswert. Einige Araber vom Stamm der Semekiyeh leben  hier unter Zelten. Andere haben einige primitive Hütten auf den Ruinen aufgebaut, in denen sie ihren Vorrat unterbringen." 1866 führte der britische Ingenieur Charles Wilson eine kleine Ausgrabung durch und identifizierte die Ruinenstätte mit dem arabischen Namen Tal-Hum als das antiken Kafarnaum.

Im Jahr 1894 musste der Franziskanerpater Giuseppe Baldi von Neapel viele Hindernisse überwinden, um von den Beduinen das Stück Land zu erwerben. Obwohl auf dem von Disteln und Dorner überwachsenen Schutthügel an manchen Stellen Säulen und bearbeitete Steinfragmente heraus ragten, zweifelten trotzdem manche Wissenschaftler an der Echtheit des Ortes, auch wenn der arabische Ortsname Tal-Hum eine vage Übereinstimmung mit dem hebräischen Namen Kefar Nahum zuließ. Viele berechtigte Fragen tauchten auf, die nur die Archäologie im Laufe der Jahrzehnte beantworten vermochte: Was können uns die bisher durchgeführten Ausgrabungen über das Leben in Kafarnaum zur Zeit Jesu erzählen? Wie viele Reste sind aus dieser Zeit übrig geblieben und was enthüllen sie uns über den sozioökonomischen Standard des Ortes?

Wurde eines der Gebäude, die in den Evangelien erwähnt werden, tatsächlich ans Licht gebracht? Wie waren die häuslichen Wohn-Strukturen? Stimmen die Darstellungen der Evangelien mit den Ergebnissen der Ausgrabungen von Kafarnaum überein? War in der Stadt wirklich ein römischer Zenturion stationiert? War Kafarnaum eine große und wichtige Stadt oder war es nur ein bescheidenes Dorf in Galiläa?

Durch verschiedene Ausgrabungs-Kampagnen brachte das Bibel- Institut der Franziskaner  in Jerusalem vieles aus dem  Alltag Kafarnaums mit seiner wechselvollen Geschichte ans Tageslicht. Inzwischen haben sich zwölf Gebäudekomplexe heraus kristallisiert, die sich in kleine, von Straßen begrenzten Bereichen gruppieren lassen: Behausungen für mehrere Familien desselben Clans und miteinander verbunden. Sogenannte Wohninseln.

Das Gleichnis vom unangemessenen Freund mag darauf angespielt haben (Lk 11,1-13). Die Wohnungen gruppierten sich um einen offenen Innenhof. Dies ermöglichte einer Großfamilie, im selben gemeinsamen Bereich zu leben und zu arbeiten. Dieser Wohnkomplex wurde von der Straße aus durch Türöffnungen mit einer Holztür zugänglich gemacht. Die Häuser hatte man aus lokalen Basaltsteinen erbaut. Der Fußboden bestand aus gestampfter Erde oder war mit Kopfsteinpflaster belegt. Von daher lässt sich die Bildrede von der Frau, die die Münze verlor, besser verstehen ( Lk 15,8-10).  Steinerne Außentreppen führten hinauf zum Terrassendach, das verschiedenen Zwecken diente: zum Netze aufbewahren. Fische oder einheimische Früchte wie Feigen konnten dort in der Sonne trocknen. In warmen Nächten diente das Dach zum Schlafen. Abgedeckt war es durch Schilf oder Stroh und mit Lehm überzogen.


Diese Art der Konstruktion erinnert an die Episode des Gelähmten, der von den Trägern über die Treppe des Innenhofs auf das Dach gehievt und von hier aus im Haus des Petrus  von einer Öffnung direkt zu den Füßen von Jesus hinuntergelassen wurde (Mk 2, 3-12). Die Höfe waren ebenfalls mit Steinen gepflastert und enthielten oft einen Bereich für Tiere. Außerdem befanden sich dort  kleine Pressen zum Zerkleinern von Oliven, Öfen zum Brotbacken und andere Gerichte. Aufgefundene Getreide-Handmühlen erinnern an die Mahnung Jesu im Hinblick auf die Endzeit: “Und von zwei Frauen, die an derselben Mühle mahlen, wird eine mitgenommen und eine zurückgelassen“ (Mt 24,41). Entdeckte Gewichte für Fischnetze, Münzen, Angelhaken und Webspulen zur Herstellung von Kleidung spiegeln den Alltag der Bewohner wider. Bei einigen Höfen schlossen sich kleine Läden an, die zur Straße hin geöffnet waren. Somit konnte die Familie ihre landwirtschaftlichen Produkte oder Fische an Nachbarn verkaufen. Die meisten Wohnungen enthielten gewöhnliche, lokal hergestellte Haushaltskeramik wie Kochtöpfe, Weinkrüge, Tassen und Schüsseln. Die Dorfbewohner saßen bei den Mahlzeiten in den engen Räumen dicht nebeneinander auf Matten und nahmen das bescheidene Essen aus dünnem Eintopfgericht zu sich, ergänzt durch örtliche Grundnahrungsmittel wie Brot, Fisch und Oliven.

Andere Funde in den häuslichen Strukturen deuten darauf hin, dass die Dorfbewohner überwiegend konservative und religiöse Juden waren; denn anders als in nahegelegenen hellenistischen Städten der Decapolis wurden bei den Ausgrabungen keine Schweins- oder nicht gekochte Fischknochen gefunden. Ein weiterer Hinweis sind Steinbecher von geringer Qualität für rituelle Reinigungen, wie das Händewaschen vor dem Essen. Es wurden keine Miqwen im Dorf ans Licht gebracht. Wahrscheinlich bot der See genug Möglichkeiten für das rituelle Baden.

Im Gegensatz zu anderen Städten am See Genezareth wie Magdala oder Tiberias zeigen die Ausgrabungen in Kafarnaum im ersten Jahrhundert keine Hinweise auf römische Annehmlichkeiten. Die Straßen waren nicht mit Steinen gepflastert, wodurch sie in der Trockenzeit staubig und in der Regenzeit matschig wurden. Ohne Aquädukte, Entwässerungskanäle, öffentliche Latrinen oder andere Abwassersysteme entlasteten sich die Einwohner wahrscheinlich im Freien oder warfen den Inhalt zwischen die Häuser, was für die damaligen Dörfer typisch war. Abgesehen von dem Vorhandensein einer bescheidenen Synagoge fanden die Archäologen keine Belege für öffentliche Bauten wie Basiliken, Theater oder gepflasterte Plätze.

Man schätzt, dass zur Zeit Jesu ungefähr 1000 bis 1500 Menschen dort lebten. Nach archäologischen Erkenntnissen war Kafarnaum seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. besiedelt. Ende des ersten Jahrhunderts n. Chr. musste es in dem Dorf eine kleine Gruppe von Jesus-Freunden gegeben haben. In jüdischen Quellen werden sie als Häretiker bezeichnet. Hatten sie doch das orthodoxe Judentum zugunsten ihrer Liebe zu Christus verlassen. Das bestätigt auch eine Geschichte des Midrasch Kohelet Rabba, worin in Kafarnaum eine Gruppe von Judenchristen als Minim, Sektenanhänger, bezeichnet wird. Diese Urchristen  hielten vor allem die Erinnerung an das Haus des Petrus wach, so dass es mit der Zeit zu einem Ort des Kultes wurde.

Das bekräftigt auch um das Jahr 384 die spanische Pilgerin Egeria in ihrem Tagebuch: „Aus dem Haus des Fürsten der Apostel wurde eine Kirche gemacht. Seine Wände stehen bis heute so, wie sie einst waren. Dort hat der Herr den Gelähmten geheilt.“ Während der byzantinischen Zeit wurden oft Basiliken an Stellen errichtet, an denen Jesus ein Zeichen seiner göttlichen Macht gewirkt hatte. Einen achteckigen Bau über dem Petrus-Haus erwähnt der Pilger von Piacenza im Jahr 570:  „Wir kamen nach Kafarnaum ins Haus des seligen Petrus, der derzeit eine Basilika ist“. Das Gebäude wurde 614 beim Einfall der Perser zerstört.

Die Synagoge von Kafarnaum beschreibt Egeria ebenfalls in ihrem Reisebericht, „wo der Herr den Besessenen heilte. Sie lässt sich mittels einer Treppe mit mehreren Stufen erreichen und ist aus quadratischen Steinen erbaut.“

Im Jahr 746 wurde Kafarnaum durch ein Erdbeben zerstört, jedoch wieder aufgebaut. Mit der arabischen Besiedlung verschwanden die Christen fast vollständig aus dieser Gegend. 200 Jahre später war der Landstrich völlig verödet. Es blieben nur die Ruinen zurück, die nach und nach verfielen.

Die ersten systematischen Ausgrabungen begannen 1905 unter der Leitung der Deutschen Heinrich Kohl und Carl Watzinger. Sie wurden von Vendelin von Benden (1905-1915) fortgesetzt. Der Franziskaner- Archäologe Gaudenzio Orfali legte zwischen 1921 bis 1926 die Synagoge aus dem 3. oder 4. Jahrhundert frei und baute sie teilweise wieder auf. Anfangs hatten die Ausgräber das Gebetshaus für eine Kirche gehalten, zumal der Bau nicht in Richtung Jerusalem ausgerichtet ist, wie es bei Synagogen üblich war. Doch die Entdeckung eines dargestellten Thoraschreins auf Rädern erklärte den Archäologen auch diesen Umstand. Da aus topographischen Gründen des Bethaus nur in östlicher Richtung zu erreichen war, stellte man einfach den rollenden Schrein mit den heiligen Buchrollen, Symbol der Gegenwart Gottes, im Innern der Synagoge vor den Haupteingang und die Gebetsrichtung nach Jerusalem war wieder hergestellt.

Ein geflügeltes Wort aus der damaligen Zeit besagt: “Wo zwei oder drei fromme Juden um die Thora versammelt sind, da ist Gott mitten unter ihnen“. Jesus gebraucht diesen Satz und bezieht ihn auf sich selbst (Mt 18,20). Außerdem verrieten zahlreiche Details, wie die siebenarmige Menorah mit Widderhorn und Räucherschaufel auf einem Kapitell, dass es sich tatsächlich um eine Synagoge handeln musste. Sie bildete den Mittelpunkt des kleinen Ortes und hatte bemerkenswerte Ausmaße: einen Gebetsraum, dessen rechteckige Fläche 27m Länge x 17m Breite betrug. Im Inneren waren an den Wänden entlang Steinstufen angebracht. Dort konnten sich die Gemeindemitglieder niederlassen. Zwei Reihen davon sind noch heute vorhanden. Der erste Platz ist besonders sorgfältig bearbeitet und mit einer Armlehne ausgestattet.

Es ist der „Sitz des Moses“ für die Ältesten und Vornehmsten der Stadt. Jedermann musste diesen angesehenen Gottesdienst-Besucher begrüßen. Jesus hält seinen Gegnern entgegen, dass sie sich auf den Stuhl des Moses setzen, um von den Menschen geachtet zu werden, ohne jedoch Gott die Ehre zu geben (Mt 23,6-7). Der sich im Osten anschließende, überdachte Anbau mit Hof wurde wahrscheinlich erst später im 5. Jahrhundert hinzugefügt und als Lehrhaus, Beit Midrash, benutzt, eine Art Bibelschule, in der man sich dem Studium der heiligen Schriften hingeben konnte.  Im Unterschied zu den Privathäusern bestanden die Mauern der Synagoge nicht aus schwarzen Basaltsteinen, sondern aus quadratischen Kalkstein-Blöcken. Sie stammten aus den mehrere Kilometer entfernten Steinbrüchen vom Berg Arbel.

Damit hob sich die Synagoge majestätisch von den übrigen dunklen Basaltbauten ab. Die Großzügigkeit der Architekten spiegelte sich besonders in den fein bearbeiteten Fensterstürzen, Kapitellen und Zierbögen wider. Viele von den figurativen Motiven wurden von Ikonoklasten zerstört. Es gab Tierfiguren, beispielsweise in einem Gesims, das ein Seepferdchen und zwei Adler mit einem Kranz im Schnabel darstellte. Auf dem Sturz über dem westlichen Eingang der Gebetshalle erscheint ein Löwe. Neben den floralen Darstellungen erkennt man die Landefrüchte Datteln, Oliven, Weintrauben, Feigen und Granatäpfel. Andere zeigen geometrische Motive wie Rosetten. Das Hexa-und Pentagramm erscheint im dekorativen Schmuck der Friese. Der sechseckige Davidstern galt als Zeichen der Hoffnung auf das Kommen des Messias, während man dem fünfeckigen salomonischen Stern magische Kraft zuschrieb. Auf einer Säule erscheint die dreizeilige, griechische Inschrift: „Herodes Sohn von Mo [ni] mos und Justus, sein Sohn zusammen mit (seinen) Kindern haben diese Säule errichtet.“ Die aramäische Inschrift auf einer anderen Säule im Innenhof der Synagoge lautet: „Halfu, der Sohn von Zebida, der Sohn von Yohanan, machte diese Kolumne. Möge er gesegnet sein.“

Die Synagoge gehört zu den schönsten in Galiläa. Durch Probegrabungen fand man darunter Reste des in den Evangelien erwähnten Vorgängerbaus aus schwarzem Basaltgestein mit einem steinernen Bodenbelag aus dem ersten  Jahrhundert und einen Hort herodianischer Münzen. Außerdem war es üblich, auf den Ruinen früherer Synagogen neue Betshäuser zu bauen.

Etwa 30 m entfernt, südlich der Synagoge, wurden die Überreste der oktogonale Kirche aus dem 5. bis 6. Jahrhundert freigelegt, umgeben von einem  ebenfalls achteckigen Wandelgang. Der Boden bestand aus Mosaiken mit der Darstellung von geometrischen Figuren, Früchten und Tieren. 1968 wurde eine nach Osten ausgerichtet Apsis entdeckt, sowie ein Taufbecken im Innenraum. Unter einem Pfauenmosaik, Symbol für die Unsterblichkeit, in der Mitte des Oktagons versiegelt, fanden die Ausgräber einige Angelhaken archaischen Ursprungs, sowie liturgische Lampen und Ampullen. Zeichen religiöser Riten. Zu ihrer großen Überraschung stießen die Franziskaner-Archäologen V. Corbo und S . Loffreda unter der oktogonalen Kirche auf Reste eines einfachen Wohnhauses aus dem ersten Jahrhundert.

Die frühen Christen verehrten es als das „Haus des Simon Petrus“, angepasst an den Kult und den Besuch der Pilger. Es wurden Räume hinzugefügt und die Kalkböden sechsmal erneuert. Der größte Raum mit den Ausmaßen von 7m x 6,5 m diente der christlichen Gemeinde im 2. Jahrhundert als „domus ecclesia“, als Hauskirche. Auf dem Wandverputz entdeckte man Überreste von Gemälden, Symbole wie das Boot, das Kreuz, den Fisch und Graffiti in Griechisch, Aramäisch, Altsyrisch und Latein. Darunter Worte wie "Jesus", "Herr", "Messias" und "Gott". Der Tenor der Schriften enthält hauptsächlich Gebete oder liturgische Anfrufe an Christus, wie beispielsweise das kurze Gebet eines Pilgers: "Herr Jesus Christus, hilf mir." Der Name Petrus und biblische Zitate werden wiederholt. Das Heiligtum war mit einem Eingangsvorraum versehen. Eine mächtige Mauer unterschied es vom Rest des Dorfes.

 Am 29. Juni 1990 wurde die moderne Gedenkstätte über dem Petrushaus und den Überresten der byzantinischen Basilika eingeweiht. Es ist das Werk des römischen Architekten Ildo Avetta. Am 1. Januar übergaben Corbo und Loffreda die Memorialstätte offiziell den Pilgern für die Feier ihrer Gottesdienste. „Als wir an jenem Morgen kurz nach Sonnenaufgang die neue Kirche betraten“, erinnert sich Loffreda, „da war es uns, als würden wir von neuem in das Haus des Fischers von Galiläa einkehren. 22 Jahre hatten wir auf diesen Augenblick gewartet. Nun war das Haus des Petrus wieder zur domus ecclesia, zum Haus Jesu, geworden, das alljährlich Tausende von Pilgern aufnimmt.“ Eigentlich ist es nicht verwunderlich, dass Virgilio Corbo dort seine letzte Ruhestätte haben wollte. Die Kirche ist als oktogonaler Zentralbau konzipiert. Er wird von großen Säulen getragen, die ihn vom Boden abheben. Diese Konstruktion erlaubt es den Besuchern, die antiken Reste sowohl von außen als auch vom Inneren der Kirche durch eine viereckige Glasfläche über dem „offenen Auge“ des Oktogon zu sehen.

Etwa 200 Meter nördlich der Synagoge wurde im Jahr 1866 von C. W. Wilson ein römisches Mausoleum entdeckt und als die mögliche  Familiengruft des Hauptmanns von Kafarnaum identifiziert. Zur gleichen Ansicht kam auch James Charlesworth, Professor für neutestamentliche Sprache und Fachmann in der Erforschung des historischen Jesus. Corbo und Loffreda datierten die Grabanlage um das erste und zweite Jahrhundert n. Chr. Sie besteht aus einer Hauptbestattungskammer, die an drei Seiten von einem Korridor flankiert wird und enthielt insgesamt fünf weiße Kalksteinsarkophage, sowie acht Loculi oder kokhim, in denen sich Ossuare befanden. Allerding war die Anlage schon in der Antike geplündert worden. 

Das griechisch-orthodoxe Gelände von rund sechs Hektar befindet sich auf der östlichen Seite von Kafarnaum. 1931 wurde dort die kleine Apostelkirche errichtet. Sie ist den sieben Aposteln geweiht, denen nach Johannes 21 der auferstandene Jesus am See Genezareth erschienen war. 1983 begann der griechische Archäologe Vasilios Tzaferis das Land zu vermessen und teilweise die Kulturschicht aus der byzantinischen und arabischen Zeit freizulegen. Der Handel scheint damals für Kafarnaums Wirtschaft eine wichtige Rolle gespielt zu haben. Das zeigen Überreste einer florierenden Fischerei-Industrie durch zahlreiche Angelhaken und Bleisenken. Zusätzlich wurden zwei Fischteiche gefunden, die aus großen, eher flachen, halbkreisförmigen Becken bestanden. Die Häuser waren aus grob behauenen Steinen gebaut. In einem der größeren Gebäude wurde unter einer Steinplatte ein Schatz von 282 Gold-Dinaren aus dem Jahr 747 n. Chr. entdeckt.

Ihr Besitzer hatte das Geld dort wahrscheinlich in den turbulenten letzten Jahren der Ummayaden-Herrschaft versteckt, die eine Zeit politischer Unruhen und innerer Machtkämpfe war. Der Entdecker des Gold-Schatzes berichtet davon in der Biblical Archaeology Review vom Juli / August 1983: „Ich war nicht auf der Suche nach Gold gekommen. Ich war Akademiker und bis 1980 Sesselarchäologe. Dann kam die Einladung, Associate Director des Freiwilligenprogramms einer Grabung in Kafarnaum zu werden. Gerne sagte ich zu. In diesem Sommer arbeitete ich in einem Wohnviertel des Ortes, etwa 70 Meter östlich von der berühmten antiken Synagoge. Beim tieferen Graben erreichten wir die massiven Mauern eines byzantinischen Hauses aus dem sechsten Jahrhundert. Es war groß und geräumig von 12 m Länge und aus den großen schwarzen Basaltsteinen gebaut, die im Galiläa reichlich vorhanden sind. Dann kamen unter einer Steinplatte im Innenhof glänzende Goldmünzen ans Tageslicht. Ein unvergesslicher Augenblick!“ Die von dicken Schuttschichten und Felsbrocken gefüllte Räume zeugten von der verheerenden Erdbeben-Katastrophe des Jahres 746, die die gesamte Siedlung zerstörte. 1985 fand Tzaferis er in der Nähe  eine römische Badeanlage, wahrscheinlich Teil der Garnison, die in Kafarnaum stationiert war. 

 

Der Ort verfügte wie andere Dörfer rund um den See über eine eigene Hafenanlage. Sie wurde auf der Ostseite des franziskanischen Geländes freigelegt und erstreckte sich entlang der Uferlinie bis etwa 200 Meter östlich des griechischen Geländes. Der Hafen war jedoch viel bescheidener als jene in den wohlhabenderen Städten. In der römischen Zeit gab es dort  einen Basaltwellenbrecher, um das Dorf vor dem See zu schützen und einen Ankerplatz für Fischerboote zu schaffen. Gleichzeitig bildete er eine Promenade zwischen dem Ufer und den nächstgelegenen Wohnungen. Damit bot er einen offenen Raum, in dem Fischer ihre Fänge ausladen, ihre Ausrüstung waschen, reparieren und ihren Fisch an die Dorfbewohner verkaufen konnten.

"In der Geschichte der Archäologie im Heiligen Land wurden literarische Hinweise auf einen Ort selten so stark durch archäologische Beweise gestützt, wie im Fall von Kafarnaum. Vor allem haben die Ausgrabungen durch die Italiener Virgilio Corbo und Stanislao Loffreda wesentlich dazu beigetragen, das gesamte historische  Erbe der Stätte zu entdecken und den Grundstein für weitere Ausgrabungskampagnen zu legen.  Nach dem Tod von Corbo führte Loffreda mit seinen Mitarbeitern vom „Studium Biblicum Franciscanum“ die archäologischen Untersuchungen an dieser biblischen Stätte fort, angeregt durch ein persönliches Wort von Johannes Paul II.: "Machen sie mit den Ausgrabungen weiter!"

kath.net Buchtipp
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Eine archäologische Zeitreise mit Louisa und Karl-Heinz Fleckenstein
Von Karl-Heinz Fleckenstein
Bernardus Verlag 2023
ISBN: 978-3-8107-0364-4
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