30. Dezember 2024 in Kommentar
Die Kirche muss zu einer kraftvollen Verkündigung zurückfinden, denn die Welt braucht die Kirche. Die Allianz von Thron und Altar war schon immer eine Gefahr für Kirche und Gesellschaft. Der Montagskick von Peter Winnemöller
Linz (kath.net)
Eine gut gepflegte Langeweile prägt die Stimmung zwischen den Jahren. Was gibt es zu tun, außer gut zu essen, feierliche Gottesdienste zu besuchen, nette und weniger nette Besucher zu ertragen? Tatsächlich brauchen wir Menschen dieses Durchatmen an freien Tagen. Doch wer sich in den zurückliegenden Tagen in der Kirche umgesehen hat, wird selbst an Weihnachten leere Reihen in den Kirchen gesehen haben. Selbst die höchsten Feste der Kirche werden immer säkularer, wenn man nun als Katholik schon anfängt, vor Jahren noch kritisierte „Weihnachtsmärkte“ zu verteidigen. Ja, diese Märkte mit Glühwein, Wollmützenverkäufern und Reibekuchenbuden gehen in der Tat auf das christliche Weihnachtsfest zurück. Sie sind das Ziel der Feinde des Christentum, weil sie als Symbol angesehen werden. Man sieht auf dem Märkten sogar vereinzelt Anspielung auf christliche Motive oder tatsächlich christliche Inhalte. Genauso sieht man die Absurditäten der säkularen Weihnachtsverdrehungen. Der WDR, ein öffentlich-rechtlicher Sender, nutzte den Paderborner Weihnachtsmarkt, um sein sogenanntes Weihnachtswunder zu zelebrieren. Ein säkuläres Hochamt, gefeiert in einem auf dem Domplatz aufgebauten Glaskasten, bei dem gegen Spenden fünf Tage lang Wunschhits der Spender gespielt wurden. Verwendet werden die Spenden von der Partnerorganisation „Aktion Deutschland hilft“ im Kampf gegen den Hunger in der Welt. Auch der Erzbischof von Paderborn durfte sich vom WDR feiern und von der Moderatorin umarmen lassen, weil er eine hohe Spende übergab. Das klingt doch alles so schön und so feierlich und so herzerwärmend weihnachtlich … halt … Was genau hat das mit Weihnachten zu tun?
Zuerst einmal war es im Advent, also in einer von der Kirche eher als stiller Zeit angesehener Phase des Kirchenjahres, ein ziemlich lautes und zuweilen schrilles Event auf dem Domplatz, das Gottesdienstbesuchern im Dom den Zugang durch einen gesperrten Eingang und die Zufahrt durch gesperrte Parkplätze erschwerte. Der als Musik bezeichnete Lärm erschwerte das stille Gebet im Dom, wurde dann zu den Gottesdiensten zwar etwas gedämpft, führte aber zu einer ganz anderen Störung der Gottesdienste. In der Abendmesse am Sonntag spazierten zahlreiche Weihnachtsmarktbesucher redend, essend, fotografierend und filmend während der Messe durch den Dom. Abgesehen davon, dass viele Männer mit Kopfbedeckung durch den Dom flanierten, suchte man generell jegliche Empfindung, dass hier eine Heilige Messe gestört wird, vergebens. Das Metropolitankapitel in Paderborn sollte sich grundsätzlich etwas einfallen lassen. Eine Geheimwissenschaft ist das nicht. Auch in anderen Kathedralen (z.B. Köln) wird der Zugang zum Dom anlassgerecht geregelt.
Das Weihnachtswunder von Betlehem ist die Geburt des Erlösers der Welt in einem bescheidenen Stall umgeben von Ochs und Esel und Hirten. Das Weihnachtswunder von Paderborn war es, gutwilligen Menschen mehr als 12 Millionen Euro aus der Tasche gezogen zu haben, um den Hunger in der Welt zu bekämpfen. Ein Blick auf die Webseite der Partnerorganisation zeigt, dass viele geförderte Projekte mit einem umstrittenen Klimanarrativ arbeiten. Wen wundert es? Der Gegensatz zwischen Weihnachten, der Geburt des Erlösers, und der säkularen Weihnacht lässt sich in der Tat kaum besser beschreiben als an diesem Gegensatz. Will man es der Kirche verübeln, mitzuspielen? Nö. (Bitte an dieser Stelle den Kanzlersprech zu verzeihen.) Mit dem christlichen Weihnachtsfest lockt man gerade einmal 20 Prozent der Christen, also 10 Prozent der Bevölkerung in die christlichen Gottesdienste. Das Glashaus vor dem Dom war Tag und Nacht umlagert von Menschen. Und viele davon gingen dann auch mal in den Dom. Alles prima, oder?
Oberflächlich betrachtet mag das stimmen. Doch es zeigt nur erneut, dass die Kirche zu sehr mitschwimmt und zu wenig – auch gegen den Mainstream – das Evangelium verkündigt. Ein nur allzu deutliches Beispiel war die Kolumne vor einer Woche. Ein Bischof, der Sprecher der Konferenz der Bischöfe, gibt kurz vor Weihnachten ein Interview und kommt ohne Weihnachten aus. Ein Blick in die Reaktionen hier unter dem Text der Kolumne zeigte vor allem eines: Die Leser waren nicht einmal mehr schockiert davon. Es entbrannte eine Diskussion um die Form der Kommunionspendung. Da stellt man sich als Kolumnist schon die eine oder andere Frage. Nun, spätere Kommentare gingen eher auf den Inhalt ein, das versöhnt dann wieder. Aber mal ganz im Ernst, haben wir es wirklich noch nötig, Hand-Mundkommunion-Diskussionen zu führen? An dieser Stelle eine steile These: Im Kernkatholischen wird die Handkommunion in zehn Jahren keine Rolle mehr spielen. Zweifel? Nun gut. Auch in der Dorfkirche in Hintertupfingen wird in zehn Jahren, wenn es denn dann dort noch eine Messe gibt, von der Mehrheit die Handkommunion genommen werden. Den zehn bis zwölf älteren Herrschaften sollte man das bitte auch nicht nehmen. Doch man gehe mal auf einen der großen christlichen oder katholischen Events. Eine immer größer werdende Zahl der jüngeren Katholiken empfängt die Mundkommunion, viele sogar knieend. Das ist eine Basisbewegung, die ohne jegliche Polemik oder ohne scheel auf Handkommunionempfänger zu schauen einfach lebt, was sie glauben. Was wir daraus lernen können: Der Kulturkampf verläuft nicht entlang der Grenze zwischen jenen, die die Kommunion mit bischöflicher Erlaubnis auf die Hand empfangen und jenen, die von Bischöfen scheel angesehen, die Kommunion knieend in den geöffneten Mund empfangen. Der Kulturkampf verläuft entlang einer Grenze derer, die der päpstlichen Weisung der Entweltlichung folgen, wie sie Benedikt XVI. postuliert hat und wie sie Franziskus (an die Ränder gehen) streng einfordert, und jenen, die den Glauben immer weiter und enger an die Forderungen und Narrative der Welt anbinden wollen.
Die erdrückende Mehrheit der deutschen Bischöfe geht den Weg der Anbiederung an die Welt, die immer eine hochriskante Anbiederung an die gerade Mächtigen ist. Klima, Gender und Migration sind die Themen, zu denen es die richtige Haltung einzunehmen gilt. Mit den Richtigen kuscheln gegen die Falschen wettern, der Hauptstrom biegt nach links ab, dem ist zu folgen. Der Kampf gegen rechts ist erste Bürgerpflicht. Wehe wenn der Wind sich dreht! Es gibt, um es hier einmal parteipolitisch konkret werden zu lassen, zahlreiche Gründe, aus denen ein Katholik die AfD nicht wählen sollte. Legt man den Maßstab einer von Papst Benedikt geforderten Ökologie des Menschen an die derzeitigen Parteiprogramme an, ist keine einzige der derzeit im Deutschen Bundestag vertretene Parteien für Katholiken wählbar. Und nein, mindestens aus bioethischen Gründen ist auch eine CDU mit einer unklaren Haltung zu embryonaler Stammzellforschung, assistiertem Suizid und der Frage der Leihmutterschaft und der künstlichen Befruchtung für Katholiken nicht wählbar. Das ist ein scharfes Schwert, das aber in dieser Form den Grundsätzen der katholischen Moral und auch nicht der dazugehörenden katholischen Soziallehre gerecht wird. Die Wahl zu verweigern, ist in einer Demokratie für einen Katholiken unangemessen.
Angemessen ist es, im Gewissen zu entscheiden – eben in einer Weise, dass man die Wahl vor Gott verantworten kann – seine Wahlentscheidung zu treffen. Aus einer konkreten parteipolitischen Entscheidung hat sich die Kirche gefälligst rauszuhalten. Sie hat gut begründet zu lehren, was für einen Christen zustimmungsfähig ist und was nicht. Die Entscheidung im Gewissen hat die Kirche dem Gläubigen nicht abzunehmen. Und ja, vielleicht hat man, nachdem man eine bessere Einsicht gewonnen hat, den Eindruck seine Wahlentscheidung beichten zu müssen. Besser so, als beichten zu müssen, vor der Entscheidung gekniffen zu haben. Man darf einem Elon Musk, auch wenn ihm in vielen Punkten zu widersprechen ist, dankbar sein, die Omerta des woken Mainstream mit seinem Meinungsartikel zu Gunsten der AfD aufgebrochen zu haben. Da hat einer wirklich und sehr ernsthaft den Boschhammer an die Brandmauer angesetzt. Vielleicht wird man später Musk als ersten Mauerspecht des Postwokeismus bezeichnen. Vielleicht werden wir in kommenden Jahren wieder ernst zu nehmende Mahnungen und Leitfäden deutscher Bischöfe vor der Wahl lesen, die erkennbar nicht vom wohlbesoldeten Elfenbeinturm auf das gemeine Volk herunter tönen, sondern den Souverän des Volkes wieder ernst nehmen. Auch das ist ein wirklicher Akt der Entweltlichung, auch das ist ein Akt wifder den Säkularismus in der Kirche. Es ist sicher kein Fehler, den Katholiken darauf hinzuweisen, dass er auch seine Wahlentscheidung vor Gott zu rechtfertigen hat. Wo in einem Volk der König der Souverän ist, hat es der Bürger leicht, denn die Last der Verantwortung vor Gott liegt nun einmal auf dem Souverän. Ist der Bürger der Souverän, ist er auch Träger der Verantwortung. So ist die Realität. Die Demokratie ist garantiert kein rot-grüner Ponyhof. Eine Kirche in einem demokratischen Land hat die Verantwortung, über der Tages- und der Parteipolitik zu stehen und sich nicht in deren Niederungen herabziehen zu lassen. Je klarer und je deutlicher die Kirche das Evangelium verkündigt und aus der Tradition heraus lehrt, umso stärker wird ihre Unabhängigkeit in der Zeit. Eine Allianz von Thron und Altar, wie sie gerade wieder fröhlich Urständ feiert, ist eine immer wiederkehrende Versuchung der Kirche in der Zeit. Die Antwort ist immer und jedes Mal wieder eine Säkularisierung. Wer der Konzerthausrede von Benedikt XVI. zugehört hat, kann das wissen. Entweder die Kirche entweltlicht sich in einem Akt der Bekehrung oder ihr wird die okkupierte weltliche Macht in den Händen zerschlagen. Der Grund ist simpel: Die säkulare Welt braucht eine starke Kirche. Nicht auf die Zahlen kommt es dabei an, sondern auf den Glauben und die Kraft der Verkündigung.
Allen Leserinnen und Lesern wünsche ich gutes von Gott gesegnetes Neues Jahr 2025.
Foto oben: Schneefall, ein Weihnachtsbaum und Geschenke – war da zu Weihnachten nicht noch etwas? Auch in der Kirche wird das Weihnachtsfest immer säkularer. Foto: Mit AI Adobe Firefly generiert.
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