1. November 2024 in Kommentar
Wer mit Jesus geht, braucht keinen Nervenkitzel mit Halloweenfratzen, die die Bedeutung dieses „All Hallow‘s Eve“ völlig verkehren - BeneDicta am Freitag von Dorothea Schmidt.
Regensburg (kath.net)
Heiligkeit gleich Langeweile? Weit gefehlt: Wenn Jesus im Evangelium vom Heilig-Sein spricht, dann steht dort das Wort „makarios“. Ins Deutsche übersetzt, bedeutet das nicht nur „heilig“, sondern zugleich „glücklich“.
Warum scheint Halloween Allerheiligen Jahr für Jahr mehr zu verdrängen? Was macht das Fest gegenüber dem Grusel so langweilig? Wer mit Jesus geht, braucht keinen Nervenkitzel mit Halloweenfratzen, die die Bedeutung dieses „All Hallow‘s Eve“ völlig verkehren. Aber vielleicht müssen wir Christen unsere Identität als Kinder Gottes wieder neu erkennen und lebendig werden lassen. Vielleicht streuen wir uns in unserem Sündenbewusstsein zu häufig lieber Asche übers Haupt als dass wir das Faktum feiern, dass auch wir zu den Heiligen gehören?
In Kolosser 3,12 heißt es: „Ihr seid von Gott geliebt, seid seine auserwählten Heiligen.“ Wir sind also nicht Sünder, die ab und zu mal einigermaßen heilige Dinge tun, sondern wir sind Heilige, die (ab und zu) sündigen. Der vielleicht wichtigste Aufruf des Zweiten Vatikanums ist, dass jeder Getaufte — nicht bloß die Geistlichen und Gottgeweihten — zur Heiligkeit gerufen ist; das heißt, zu sein wie Jesus, zu lieben wie Er, Ihm nachzufolgen eben, auch wenn wir den Hang zum Sündigen haben. Aber wir sind seit Jesus nicht mehr Sklaven der Sünde. Zudem haben wir die Beichte: Wenn wir gebeichtet haben, versenkt Jesus unsere Sünden in den Tiefen des Meeres. Im Klartext: Es gibt sie nicht mehr, wie eine Episode aus dem Leben der heiligen Margareta Maria Alacoque zeigt; jener Frau, der Jesus sein heiliges Herz offenbarte, welches Kernpunkt der neuen Enzyklika „Dilexit nos“ von Papst Franziskus ist.
Der geistliche Begleiter der Heiligen, Jean Claude, beauftragte diese, Jesus nach dem Inhalt ihrer letzten Beichte fragen. Er wollte sich vergewissern, ob es wirklich Jesus war, der Margareta Maria Alacoque erschien. Die Heilige stellte Jesus die Frage und bekam folgende Antwort: „Ich kann mich nicht erinnern.“
Von Heiligen wie dieser Frau können wir einiges lernen. Meister Eckehard nannte die Heiligen Lebemeister, im Gegensatz zu Lehrmeistern. Man könnte ergänzen: und Liebemeister, wenn wir an Hans Urs von Balthasar denken, der sagte: „Der Theologe sollte denen zuhören, die am meisten von Gott wissen, das sind die großen Liebenden.“ Er meinte die großen Heiligen wie Franz von Assisi, Elisabeth von Thüringen oder Mutter Teresa. Sie haben ganz und gar aus ihrer Identität als Kinder Gottes und in tiefer Verbundenheit mit Christus gelebt; nicht ging über das vertraute Zusammensein mit Ihm, der Quelle alles Guten. Sie hatten eine enge Beziehung zu ihm, waren seine Freunde. Und sie sind unsere Vorbilder, wenn es darum geht, das Leben in enger Beziehung mit Jesus zu gestalten.
Nicht jeder von uns wird Jesus sehen wie Heilige ihn gesehen haben, geschweige denn kanonisiert werden. Aber zur Heiligkeit berufen sind wir alle als Getaufte. „Darum bekleidet euch mit aufrichtigem Erbarmen, mit Güte, Demut, Milde, Geduld!“ heißt es weiter im Kolosserbrief. Dies ist ein Auftrag und eine Zusage unserer Identität als Söhne und Töchter Gottes, die durch Christus freigekauft sind von aller Sünde und Schuld und nicht länger Knechte (der Sünde und) Jesu sind, sondern dessen Freunde (vgl. Joh 15,15).
Und das ist alles andere als langweilig, wie auch der heilige Ignatius vor seiner Bekehrung festgestellt hat. Der war — bevor er heilig wurde — ein spanischer Ritter, voller Leidenschaft für Raufereien, Liebesabenteuer und Waffenspiele. In einem Kampf zur Verteidigung der Stadt Pamplona wurde sein Bein von einer Kanonenkugel zerschmettert, so dass er wochenlang das Bett hüten musste. Zum Zeitvertreib schwelgte er in Gedanken an seine Kämpfe und überließ sich wilden Träumereien über Frauen, musste aber doch feststellen, dass ihn das doch nur langweilte und überhaupt nicht froh stimmte. Also wollte er lesen, es gab aber nur zwei fromme Bücher, eines davon handelte von den Heiligen Dominikus und Franziskus. Besser als nichts, muss er gedacht haben, denn er begann es widerwillig zu lesen. Zu seiner eigenen Überraschung wurde er immer froher und glücklicher. Und die Freude in seinem Herzen hielt an. Schließlich wollte er selber heilig werden. Er gründete schließlich den Jesuitenorden.
Wie er waren Heilige wirkungsvolle Zeugen von Gottes (All-) Macht und Liebe. Jeder auf seine Weise. Bischof Blasius beispielsweise demonstrierte, welchen Mut und Impact das in Christus verwurzelte Leben hat. Er lebte ein einer Zeit der gewaltsamen Christenverfolgung. Im Vorfeld des Konzils von Konstantinopel wütete im Osten des Reiches Kaiser Valens, ein fanatischer Gegner der nizäischen Orthodoxie. Der Kaiser wollte seine arianische Position mit Gewalt durchsetzen. 371 rückte er mit seinen Truppen, die Modestus, durch und durch Arianer, anführte, in Näzarea ein. Basilius stellte sich ihm mutig entgegen. Alle Drohungen prallten an ihm ab. Nichts könne ihn dazu bewegen, auch nur einen Schritt zurückzuweichen, auch nicht der Tod, sagte Basilius zu Modestus. Dieser war einen solchen Widerstand nicht gewohnt, so habe noch nie jemand mit ihm gesprochen. Basilius darauf: Er habe eben noch nie einem wirklichen Bischof gegenübergestanden. Das war mit Humor gesalzener Mut, Realsatire.
Nun bedeutet dies nicht, dass wir uns auf dem Weg zu immer mehr Heiligkeit den Tod einstellen müssen, auch wenn es das natürlich gab Der heilige Laurentius soll vom Grillrost noch gesagt haben: „Siehe, die eine Seite hast du gebraten, so brate auch die andere!“ In der Christenverfolgung sind übrigens deshalb so gut wie keine Bücher, sondern Menschen verbrannt worden, weil sie das lebten, was in Büchern stand.
Solche Beispiele zeigen, wozu Menschen fähig sein können, je mehr sie werden wie Jesus, der für uns einen ganz besonderen Tod starb; er kaufte und frei, machte den Weg frei ins Paradies, durch ihn haben wir Anteil am Los der Heiligen — wobei mit „Los“ nicht das Martyrium gemeint ist, sondern das Erbe: Was Jesus tat, dürfen, sollen und können wir als seine Erben auch tun, die Wundertaten eingeschlossen. Laut Bibel werden die Nachfolger Jesu sogar noch größere Wunder vollbringen als Jesus (vgl. Joh 14,12). Freunde Jesus sind nicht Jesus Knechte, die nur Einbahnstraßen-Kommunikation kennen: Der Chef erteilt Befehle, die Knechte führen sie aus, ohne Widerworte, ohne Beziehung zum Chef. Sie funktionieren. Freundschaft ist anders.
Jesus will, dass wir unser Leben gemeinsam mit ihm gestalten, inklusive dem Erbe, das er für uns bereithält und mit dem unser Christsein erst so richtig Fahrt aufnimmt und spannend wird, attraktiv für andere und: Es weckt und stärkt den Glauben. Bei der wunderbaren Brotvermehrung zum Beispiel schickte Jesus die Jünger aus, um das Brot zu verteilen. Es vermehrte sich unter ihren Händen, nicht in Jesu Händen. Sicher, Jesus ist derjenige, der durch sie wirkt. Aber er wollte, dass die Jünger mitwirken und daraus lernen: Im Himmel gibt es keinen Hunger, dort gibt es alles im Überfluss. Die Aufgabe der Jünger war und ist es, den Himmel auf die Erde zu bringen, inklusive Freude, Gnaden, Humor, Liebe. Hierbei sind uns die großen bekannten Heiligen gute Vorbilder.
Ein paar Schmankerl: Der heilige Pater Pio machte einem Mädchen, das keine Pupillen hatte und seit der Geburt blind war, nach der heiligen Kommunion ein Kreuz auf die Augen. Es konnte augenblicklich klar und deutlich sehren, auch ohne Pupillen.
Oder: Philip Neri hat einmal den heiligen Ignatius in einer Prozession getroffen und sich gedacht: Was sollen diese so ernsten Gesichter? Um den Prozessierenden ein bisschen zur Freude zu verhelfen, ging Neri auf Ignatius zu wuschelte ihm ordentlich durchs Haar und verschwand lachen wieder. Ignatius, im ersten Moment verärgert, verstand dessen Botschaft und lief mit heiterem Gesicht weiter.
Diese Episode zeigt, dass auch Heilige nicht perfekt waren. Sie waren anders, erleuchteten mit ihrer anderen Art die Finsternis. Sie veränderten die Welt, in der sie wirkten und faszinierten ihre Mitmenschen, die sich ihnen nicht selten anschlossen. Nicht Umstände bestimmten, ob sie froh waren und Gutes taten. Sondern sie waren froh und taten Gutes und veränderten so ihre Umgebung. Jedenfalls kommen bei Heiligen tiefe Freude und Humor nie zu kurz. Das steckt schon im Wort „Heiligkeit“ selbst. Wenn Jesus im Evangelium vom Heilig-Sein spricht, dann steht dort das Wort „makarios“. Ins Deutsche übersetzt, bedeutet das nicht nur „heilig“, sondern zugleich „glücklich“.
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