28. August 2024 in Kommentar
„Die Förderung von Migration und die Akzeptanz illegaler Migration ist zu allererst ein wirtschaftspolitisches Projekt. Es geht nicht um kulturelle Vielfalt...“. Gastkommentar von Prof. Riccardo Wagner
Köln (kath.net) Erneut ein islamistischer Terrorakt. Erneut sterben Unschuldige. Erneut Bestürzung allerorten. Erneut soll dieser Moment eine Zäsur für die Innere Sicherheitspolitik darstellen. Acht Jahre nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin, nur Monate nach dem Mord an einem Polizisten in Mannheim.
Man könnte nun lang und breit über Versäumnisse, mögliche und unmögliche Maßnahmen und die Grenzen unserer Gesetzgebung und unserer Exekutive sprechen und hoffentlich wird dies auch getan. Doch was mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht passieren wird, ist: Die Bedrohung durch islamistischen Terror in einen sozialen Zusammenhang zu stellen, der uns alle betrifft und damit meine ich nicht "mehr Willkommenskultur“, die selbstverständlich immer geboten und wichtig ist, um denen, die hier rechtmäßig Schutz und eine neue Zukunft suchen zu helfen, heimisch und Teil der Gesellschaft zu werden. Hier leisten wir als Land, bei allen gebotenen Verbesserungsmöglichkeiten, Hervorragendes und auch Großzügiges, auf das wir auch stolz sein können. Als Christen ist es unsere Pflicht dem Fremden unvoreingenommen zu helfen und den Flüchtling willkommen zu heißen, wie einen Freund.
Gründe für islamistischen Terror gibt es viele. Aber einen zentralen Grund, warum wir überhaupt in diese Konflikte hineinlaufen, die als zwangsläufige Nebeneffekte islamistischen Terror und islamistische Kultur in unsere Mitte holen und die eine ernste Gefahr, nicht nur für unsere unmittelbare Sicherheit darstellen, sondern mittel- und langfristig das Überleben unserer Kultur bedrohen, sprechen wir zu wenig: Wir sind aus unsere Mitte heraus keine überlebensfähige Gesellschaft. Dieser wesentlichen Punkt darf in der Debatte um die Ursachen und Folgen von Solingen nicht fehlen.
Wir sind aus unsere Mitte heraus keine überlebensfähige Gesellschaft
Unser Land braucht Migration, weil wir materiellen Wohlstand lieber mögen als Kinder und wir uns dafür entschieden haben, dass Kinder wahlweise eine soziale Belastung, eine Wohlstandsgefährdung, ein Karrierehindernis darstellt und/oder wir die Hoffnung in eine bessere Zukunft verloren haben. Nicht zu vergessen, dass wir Familienarbeit als Sklaverei und rückwärtsgewandt ansehen.
Viel sinnvoller und erfüllender erscheint es uns, die Entfaltung unserer Person in der abhängigen Lohnarbeit für Andere zu suchen. In Arbeit sein oder die noch nicht vom System erfassten in Arbeit bringen ist unser Ziel – Kinder, Familie und Prioritäten außerhalb des ökonomischen Systems sind da nicht erwünscht. Viel zu wenig Empörung über den Fakt, dass es beinahe unmöglich geworden ist mit einem Einkommen eine mehrköpfige Familie zu versorgen und 1,58 Kinder pro Frau, Tendenz abnehmend, sind die logische Folge. Viel zu wenig, um als Volk zu überleben und erst recht zu wenig, um unserem damit erkauften Wohlstand und Wirtschaftsleistung aufrechtzuerhalten.
Und hier liegt des Pudels Kern. Die Förderung von Migration und die Akzeptanz illegaler Migration ist zu allererst ein wirtschaftspolitisches Projekt. Es geht nicht um kulturelle Vielfalt, die bei mehr als 90 Prozent Migration aus den muslimischen Ländern ohnehin nicht gegeben ist. Es geht um unseren Wohlstand, den wir aus eigener Kraft nicht erhalten können, auf den wir aber nicht verzichten wollen – auch die nicht, die unzufrieden sind mit der aktuellen Migrationsbewegung.
Jetzt kann man zu recht sagen: Wir brauchen deshalb Migration. Das stimmt, aber wenn, brauchen wir die Menschen, die hier eine bessere Zukunft suchen, sich ihrer Eigenverantwortung bewusst sind und unsere Traditionen unsere Kultur und Sprache respektieren, vielleicht sogar mögen und diese zumindest für bewahrenswert halten. Dass wir damit die Herkunftsländer aus egoistischen Motiven schwächen, blenden wir mal aus. Denn schließlich verlassen (oder werden aktiv geworben) vor allem jene Menschen ihre Länder, die stark, vermögend oder gebildet genug sind, um diese Herausforderung einer Migration anzugehen. Genau jene also, die Veränderungen in den Heimatländern tragen könnten und müssten.
Diese Migranten können aber auch für uns eine Bereicherung sein. Dennoch gibt es in jeder Kultur ein kulturelles Erbe, spezifische Identität, Werte und Traditionen, deren Schutz und Erhalt unsere Pflicht ist. Diese dürfen nicht Opfer globalisierten Denkens der „Anywheres“ werden dürfen, für die deutsche Kultur und Tradition bestenfalls historisch-romantische Funktionen erfüllt und oft nicht mal das.
Auch deshalb hat jede Kultur und Gesellschaft Kipppunkte und demografische Belastungsgrenzen, die sich verschärfen, wenn ein Volk nicht in der Lage ist sich selbst zu erhalten. Migration ist deshalb auch immer ein quantitatives Problem, zumal es sich um nicht mehr umkehrbare Prozesse handelt und es einfach eine Realität ist, dass ein signifikanter Teil der meist illegalen Flüchtlinge extremistische Werte vertritt oder mit ihnen sympathisiert. Und der Prozess hat längst begonnen. Wir können diesen, wenn wir nicht vollständig umsteuern, was leider nicht zu erwarten ist, maximal verlangsamen.
Kulturelle und soziale Vielfalt kann großartig und bereichernd sein und es versteht sich von selbst, dass der größte Teil legaler und auch illegaler Migranten mit besten Intentionen auf die Reise geht – aber deshalb diese Idee der Vielfalt naiv zur höchsten Maxime zu erklären und so positiv zu Verabsolutieren, wie wir das aktuell vor allem von Regierungseite erleben, ist schlicht unverantwortlicher Populismus.
Heißt: Wir müssen diese Herausforderungen anfangen ehrlicher, ganzheitlicher und im Lichte einer Diskussion über unsere Prioritäten, Werte und Identität als deutsches Volk und Europäer führen. Was nicht einfach wird, denn die Idee einer deutschen Identität und eines deutschen Volkes wird aus denselben politischen Kreisen immer häufiger zum reinen Hirngespinst degradiert und als Totschlagargument mit völkischem Nationalismus in einen Topf geworfen. Ein Gedanke, der vor allem für uns Mitglieder einer allumfassenden katholischen Weltkirche nichts als absurd ist. Doch ohne den Erhalt und zum Teil einer Wiederbelebung der Kultur, Werte und nicht zuletzt des Glaubens, der die westliche Welt möglich gemacht hat, werden diese Probleme nicht lösbar sein.
Eine wurzellose, schwache, ökonomisch korrumpierte und verunsicherte Kultur, der jeder geteilte, tiefere Sinn und Bezug verloren gegangen ist, wird vor allem von jenen Extremisten und ihren Sympathisanten und Rekruten niemals respektiert und schon gar nicht als erstrebens- oder verhaltenswert angesehen.
Das Ergebnis ist dann zwangsläufig Extremismus, Terror und Chaos mit vielen weiteren unschuldigen Opfern, auch unter unseren migrantischen Mitbürgern, wenn rechte Extreme die Straßen und Parlamente übernehmen. Diese Gefahr eines innenpolitischen Infarkts mag noch fern sein, ausgeschlossen ist er sicher nicht.
Die Verantwortung tragen die spaltenden Populisten auf allen Seiten und die Politiker der letzten Jahre, die alle Kritiker wahlweise verunglimpft oder als Wutbürger etc. lächerlich gemacht und herablassend abgekanzelt haben. Eine globalistisch denkende selbsternannte Elite, die glaubt Gesellschaft von oben herab mit Propaganda und im Zweifel Umerziehung planen und steuern zu können. Dies wird nicht funktionieren, denn eine Gesellschaft wächst von unten, aus gemeinsamen Wurzeln, gemeinsamen Werten und Glauben, der aber nicht abstrakt ist, sondern sich konkret manifestiert in den sinnstiftenden Bezügen und Beziehungen einer Familie, aus dem sicheren und respektvollen Zusammenleben in einer Gemeinde etc.. So entsteht eine Gesellschaft mit Hoffnung, Selbstbewusstsein und Kraft, die sich auch selbst erhalten will.
Fest steht: Wenn wir diese Probleme aus der Mitte der Gesellschaft nicht realistisch adressieren und nicht lösen, werden diese Probleme die Mitte auflösen.
Der Autor Prof. Dr. Riccardo Wagner ist Professor für Nachhaltiges Management & Kommunikation an der Hochschule Fresenius in Köln, Leiter der Media School, Studiendekan sowie Autor. Er wurde 2024 in die volle Gemeinschaft mit der katholischen Kirche aufgenommen, worüber er im kath.net-Interview berichtet (siehe Link).
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