Die stigmatisierte Passionsmystikerin aus München: Centa Segerer (1906-1953)

23. November 2023 in Chronik


Sie war gern bereit, für die Priester als geistige Schwester, stellvertretend zu leiden. Dies ist das außergewöhnliche Lebensbild einer frommen Seele. Gastbeitrag von Elmar Lübbers-Paal


München (kath.net) „Der Wille GOTTES ist mir alles!“ war das Lebensmotto einer bescheidenen Frau, die allwöchentlich, von Donnerstag auf Freitag, die Passion CHRISTI durchlitt.

„Münchner Ostfriedhof, Sektion 36b“: in diesem Friedhofsabschnitt befindet sich ein Mauergrab, welches mit einem rotbraunen Sandsteinkreuz errichtet wurde. Dies ist die irdische Ruhestätte einer Münchnerin, die aus Liebe zum HERRN JESUS CHRISTUS, außerordentlich viel gelitten hatte. Es sind nicht die großen Menschenmassen, die sich aufmachen, um ihr Grab als Pilgerstätte zu besuchen. Wohl auch, weil ihr Leiden im Verborgenen stattfand. Auf sie waren nicht so viele Augen gerichtet, wie beispielsweise auf die ebenfalls Stigmatisierte jener Zeit, Resl von Konnersreuth (1898-1962). Und doch gibt es erstaunliche Gemeinsamkeiten, dieser beiden Leidensmystikerinnen aus Bayern. Schauen wir uns das Leben und Leiden Centa Segerers, die am 31. Oktober 1906 geboren und am 4. November desselben Jahres auf den Namen Creszentia Josefa getauft wurde, an. Als elftes von zwölf Geschwistern wuchs sie in einem ärmlichen Elternhaus im Münchner Stadtviertel Giesing auf. Ihr Vater war der Schuhmacher Mathias Segerer, der, um die kinderreiche Familie ernähren zu können, eine Zeit lang nebenbei noch als Trambahnfahrer arbeitete. Seine Frau Anna besorgte mit viel Liebe, aber auch nötiger Strenge, den Haushalt. Bei der Erziehung legte man in der Familie sehr viel Wert auf die Vermittlung der Grundfesten einer gut-katholischen Erziehung. Die täglichen Gebete wurden bei Segerers so verinnerlicht, als sei es so normal wie das Atmen. Der Glaube mit seinen Gedenk- und Feiertagen standen über allem und bildeten das Grundgerüst des familiären Miteinanders.

In Centa, so wurde das zweitjüngste Kind stets gerufen, fiel diese Saat auf besonders fruchtbaren Boden. Schon in den frühen Kinderjahren konnte man bei ihr eine besonders innige Beziehung zu ihrem „großen GOTT“ feststellen. Sie begann Opfer für JESUS zu bringen. Musste sie beispielsweise, in der Zeit des Ersten Weltkrieges und in deren Folge, wegen Lebensmittelknappheit, hungrig schlafen gehen, opfert sie dies ihrem GOTT auf. Der HERR wiederum, der ihre Opfer anzunehmen schien, zeigte ihr ein erstes Betätigungsfeld: Opfer und Gebet für die Armen Seelen.

1917 und 1918 wurden für Centa große Gnadenjahre. Es begann mit ihrer ersten Heiligen Beichte und wurde im Folgejahr mit dem Sakramentenempfang der Ersten Heiligen Kommunion im Februar, und der Heiligen Firmung im April, gekrönt. 1919 erkrankte ihre Mutter schwer und brauchte Hilfe. Centa kümmerte sich rührend um sie und ihre Geschwister, obwohl sie sich, mit gerade mal 13 Jahren, in Kinder- und Säuglingspflege ausbilden ließ. Diese Mehrfachbelastung, meisterte sie, durch ihren Glauben gestärkt, bravourös. Auf ihrem Lebensweg erkannte sie stets die Fügung Gottes. Diese erwiderte sie immer mit einem „Ja, Vater!“. So auch bei einer Halsoperation mit 15 Jahren, die sie ohne Betäubung durchstehen musste. Es folgten weitere Krankheiten. Auf einer Erholungsfahrt nach Bad Tölz schaute sie bei dem Erblicken der Jesusdarstellung einer Kreuzigungsgruppe den blutigen Todeskampf des Herrn. Dieses erschütternde Ereignis machte sie noch eifriger in ihrer Opfergesinnung.

Centa hoffte Ordensschwester werden zu können, doch die Klöster lehnten ihr Ansinnen, vermutlich auf Grund ihrer schwächlichen Gesundheit, ab. Sie half in dieser Zeit im Haushalt ihrer Familie kräftig mit. Im Februar 1931 versuchte sie in einer Einrichtung für Kinder mit geistiger Behinderung in Ecksberg bei Altmühldorf mitzuwirken. Den mit dieser Arbeit verbundenen Strapazen war sie aber gesundheitlich nicht gewachsen. Dafür erhielt sie kurze Zeit später eine Anstellung im Münchner Kinderasyl als Kinderpflegerin. Krankheitsbedingt musste sie schon nach einigen Monaten auch diese Stelle aufgeben. Gott ließ Centa erkennen, dass er sie als Sühneseele auserwählt hatte. Dies wurde auch für Umstehende deutlich erkennbar, als sich zu Weihnachten 1936 die Wundmale CHRISTI (Stigmata) an ihr zeigten. Gern war sie bereit, die damit verbundenen Schmerzen zu ertragen, bat den HERRN jedoch inständig, ihr die äußeren Zeichen wieder zu nehmen. Sie wollte auf keine Weise auffallen und keine Neugierde wecken. 1939 kam die schmerzhafte Schulterwunde (die Stelle, auf der JESUS das Kreuz zur Richtstätte schleppte) hinzu. Centa wurde bewusst, dass sie vor allem für jene beten, opfern und leiden sollte, die für den HERRN täglich das unblutige Kreuzesopfer feiern: die Priester. So wurde sie zur Schwester, zur geistigen Mutter für Priester.

Der Himmel scheint ihr auch die mystische Gabe der Bilokation, also die Fähigkeit einer lebenden Person, an zwei Orten gleichzeitig sein zu können, geschenkt zu haben. Dieses Phänomen wurde beispielsweise schon Antonius von Padua, Teresa von Avila, Katharina von Siena, Pater Pio und Franz von Assisi zugeschrieben. Tatsächlich gibt es Berichte, wonach Priester ihre Lebensrettung in der Zeit des Zweiten Weltkrieges Centas Anwesenheit bei Auslandseinsätzen beteuern, wobei sie aber körperlich auch in München war. Für ihr Münchner „Stadtl“ bot sie während der Kriegszeit, als unzählige Bomben fielen, Gott großherzig täglich ihr eigenes Leben an. Zwar wurde die Stadt größtenteils zerstört, doch kam die Bevölkerung im Hinblick auf die Menschenopfer und im Vergleich mit anderen Städten relativ gut weg, was heute viele nicht mehr wissen.

In ihrer engen und innigen Gottesbeziehung sah sie auch das Schicksal vieler hingeschiedener Seelen. Sie erkannte ihren Reinigungszustand im Fegfeuer, betete und litt viel für sie und konnte oft genau sagen, wann diese Seelen in den Himmel eingezogen sind. So durfte sie auch erkennen, dass ihre 1944 bzw. 1948 verstorbenen Eltern schon sehr bald nach ihrem Tod in die ewige Seligkeit eingehen durften. Nur zwei Tage nach dem Tod der Mutter konnte sie freudig ausrufen: „Mutterl ist nun heilig!“ Ähnlich sah sie dies auch bei einer ihrer schon sehr früh an Krebs verstorbenen leiblichen Schwester. Centa selbst hatte über viele Jahre hinweg eine unstillbare Sehnsucht nach dem Heimgehen zu Gott. Der HERR erfüllte ihren Wunsch am Freitag, den 15. Mai 1953.

Viele Menschen haben erst nach ihrem Heimgang erfahren, dass eine Sühneseele in ihrer unmittelbaren Nähe wohnte und litt. Sie wäre womöglich schon längst in Vergessenheit geraten, würde es nicht Aufzeichnungen ihrer Worte geben, die sie während der Zeit ihrer Stigmatisation an den fast wöchentlichen Leidensfreitagen sowohl in und auch außerhalb ihrer Passionsekstase gesprochen hat. Während dieser ganzen Zeit bis zu ihrem Tod lebte sie ausschließlich von dem – nahezu täglichen – Empfang der Heiligen Kommunion.

Um ihr Andenken zu erhalten hat sich der Freundeskreis Centa Segerer, Ludwig-Erhard-Allee 9, 81739 München, gegründet. Dorthin möge man auch mögliche Gebetserhörungen schreiben.

Wer sich ausführlicher mit dem Leben und Leiden, dieser Mystikerin befassen möchte, sei auf das Buch „Der Wille GOTTES ist mir alles!“ von Alois Bäuml, erschienen im Miriam-Verlag, hingewiesen.

Archivfoto Centa Segerer (c) Freundeskreis Centa Segerer


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