Abtreibung: „LINKE hat in den hessischen Landtag erneut einen Bannmeilen-Gesetzentwurf eingebracht“

15. Mai 2023 in Prolife


„Die vom Gesetz vorgesehene Beschränkung der Versammlungs-, Meinungs- und Religionsfreiheit ist nicht zu rechtfertigen. Eine Verabschiedung des Gesetzentwurfs wäre verfassungswidrig und rechtswidrig“. Gastkommentar von Cornelia Kaminski


Wiesbaden (kath.net) Zum zweiten Mal hat die LINKE in den hessischen Landtag einen Bannmeilen-Gesetzentwurf eingebracht. Im Bereich von 150 Metern rund um Abtreibungseinrichtungen und Beratungsstellen soll niemand mehr protestieren oder Mahnwachen abhalten dürfen. Am vergangenen Freitag hat dazu der hessische Landtag Sachverständige angehört. Betroffen von dem Gesetz wären vor allem Beter, die in einem Abstand von 30 m vor einer Frankfurter Pro Familia Beratungsstelle stehen – zweimal im Jahr an je 40 Tagen.

Der Vorstoß der LINKEN ist aus vielen Gründen bemerkenswert, nicht nur, weil aus rechtlichen Gründen schon der erste Versuch gescheitert war.

Das vorgelegte Gesetz wäre rechtswidrig, da es den Anforderungen an ein allgemeines Gesetz nicht genügt. Es greift ohne Not in elementare Grundrechte ein, von einem Menschenrecht auf Leben für ungeborene Menschen geht es überhaupt nicht aus. Es wäre verfassungswidrig.

Belästigungen und Bedrohungen von Frauen sind, da besteht kein Zweifel, in keiner Situation akzeptabel. Das gleiche gilt für Ärzte. Morddrohungen und Beschimpfungen sind abzulehnen. Solche Äußerungen und Mails werden aber durch das vorliegende Gesetz nicht verhindert, und müssen strafrechtlich geahndet werden.

Aber: Der Gesetzentwurf beschreibt ein Problem, das so nicht existiert. Das ist der Grund, warum die entsprechenden Gerichtsverfahren, mittels derer die Versammlungen in der Nähe der Beratungseinrichtungen verboten werden sollte, gescheitert sind – die Beweisaufnahme der Gerichte hat ergeben, dass die Persönlichkeitsrechte von Schwangeren in keinem einzigen Fall eingeschränkt worden waren. Insofern ist eine Regelung per Gesetz auch nicht erforderlich. In keiner der vorgelegten schriftlichen Stellungnahmen zur Anhörung wird ein konkreter Fall geschildert, in dem es tatsächlich zu einer Belästigung von Schwangeren durch Gebetswachen gekommen wäre.

In keinem der einschlägigen Gerichtsverfahren konnte eine Zeugin benannt werden, die eine entsprechende Aussage gemacht hätte.

Es gibt kein einziges Ordnungswidrigkeitsverfahren in Bezug auf solche Belästigungen.

Mir ist auch kein Fall bekannt, in dem die Bedrohung oder Belästigung eines Arztes durch Mahnwachen vor Gericht verhandelt worden wäre.

Ein Gesetz wäre allenfalls nötig, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel sich als unwirksam erwiesen hätten. Das Versammlungsrecht ist aber bisher noch nicht einmal zum Einsatz gekommen.

Gäbe es Belästigungen und Bedrohungen, die den Zugang zu Abtreibungen erschweren, müssten die Abtreibungszahlen sinken. Das Gegenteil ist jedoch der Fall.

Die Zahl der Stellen, die Abreibungen vornehmen, ist im letzten Jahr bundesweit gestiegen. Eine Studie der Charité aus dem letzten Jahr belegt zudem noch einmal ausführlich, dass es den vermuteten Mangel an Abtreibungseinrichtungen so in Deutschland gar nicht gibt.

Den noch 44 Krankenhäusern in Hessen mit Geburtshilfe stehen jetzt 74 Abtreibungseinrichtungen gegenüber. Hessen hat damit pro Kopf fast doppelt so viele Abtreibungseinrichtungen, die zur Bundesstatistik melden, wie Bayern. Das bedeutet, dass bei ca. 9.000 Abtreibungen pro Jahr diese Einrichtungen jeweils ca. 120 Abtreibungen durchführen müssen. Das ist jeden zweiten Tag eine Abtreibung. Für die ca. 57.000 Geburten gab es dann eben nur 44 Kliniken. Eine Abtreibung blockiert den Eingriffsraum für eine Viertelstunde, eine Geburt kann sich über viele Stunden hinziehen. Einer Schwangeren mit Geburtswehen werden in Hessen Fahrtzeiten von bis zu 40 Minuten zugemutet, einer Frau, bei der die Schwangerschaft äußerlich noch nicht mal sichtbar ist, soll aber in Wohnortnähe ihr ungeborenes Kind töten können dürfen. Was brauchen wir jetzt – mehr Abtreibungseinrichtungen oder mehr Geburtshilfen? Und wie ticken diejenigen, die lauthals nach mehr Abtreibungseinrichtungen rufen?

Mit den steigenden Zahlen an Abtreibungseinrichtungen ist auch die Zahl der Abtreibungen im letzten Jahr gestiegen, in Hessen um über 13 % und damit ein Drittel mehr als im Bundesdurchschnitt.

Beides – sowohl die Zunahme an Abtreibung als auch an Abtreibungseinrichtungen – deutet darauf hin, dass Schwangere und Ärzte in Hessen eben nicht im Zusammenhang mit Abtreibungen Bedrohungen und Einschüchterungen erleben. Vielmehr scheint es eine gesellschaftliche Bestätigung für ihr Tun zu geben – wie auch die zahlreichen Preisverleihungen an Frau Hänel für Engagement in Sachen Abtreibung belegen.

Falls nun dennoch davon ausgegangen wird, dass es weniger Abtreibungsärzte gibt, dann halte ich einen anderen Grund für sehr gut möglich. Nicht die behauptete Stigmatisierung der Abtreibungsärzte führt dazu, dass Gynäkologen keine Abtreibungen mehr durchführen wollen, sondern vielmehr unser Wissen um das Wunder der vorgeburtlichen Entwicklung. Ich habe mit Frauenärzten und medizinischem Personal gesprochen, die keine Abtreibungen mehr machen wollten, nachdem sie im Ultraschall gesehen haben, was sie da tatsächlich absaugen.

Eine Frau im Schwangerschaftskonflikt, die sich an eine Beratungsstelle oder einen Abtreibungsarzt wenden, ist sicher in einer Notlage. Die ganze Wahrheit ist aber: In einer existentiellen Notlage befindet sich auch ihr ungeborenes Kind. Dessen Not wird von den Betern vor den Einrichtungen ebenfalls wahrgenommen. Ich weiß, dass viele Frauen diese doppelte Wahrnehmung nicht als Bedrohung empfinden, sondern vielmehr als ein umfassendes Ernst-Genommen-Werden und Mitfühlen. So kann eine informierte, selbstbestimmte Entscheidung getroffen werden.

Darum geht es aber gar nicht. Es geht auch nicht um die Frauen. Wäre das anders, würden sich Hänel, Sasz und Co. nicht dafür aussprechen, dass Ärzte verpflichtend Abtreibungen durchzuführen hätten, weil das eben zum ärztlichen Handwerk dazu gehöre und der Bedarf da sei. Es geht ausschließlich um die Verwirklichung einer Gesellschaft, in der Frauen jederzeit ohne Einschränkung ihr ungeborenes Kind töten können sollen. Wie es Frauen dabei geht, ist nebensächlich, und ob Frauen insgesamt schlechter versorgt werden, weil junge Menschen nicht Frauenärzte werden wollen, wenn der Preis dafür die Bereitschaft ist, ungeborene Menschen zu töten, ist völlig egal.

Befürworter des Gesetzes machen geltend, dass die Meinungs- und Versammlungsfreiheit gewahrt bleibe, die Personen könnten ja an anderer Stelle protestieren. Protest und Mahnung muss jedoch dort passieren dürfen, wo Wirkung entsteht – auch das garantiert die Verfassung. Niemand geht zum Demonstrieren in den Wald.

Die vom Gesetz vorgesehene Beschränkung der Versammlungs-, Meinungs- und Religionsfreiheit ist also nicht zu rechtfertigen. Eine Verabschiedung des Gesetzentwurfs wäre verfassungswidrig und rechtswidrig, da er den rechtlichen Anforderungen an ein allgemeines Gesetz nicht genügt. Das wird auch die LINKE wissen. Allerdings ist es ihr aus ideologischen Gründen egal.

Eines sollte daher klar sein: Mit einem derart ungerechtfertigten, dauerhaften Eingriff in unsere Menschenrechte darf sich niemand abfinden. Parlamentariern, die sich so wenig um die Grundrechte ihrer Bürger und die Verfassungskonformität der von ihnen verabschiedeten Gesetze scheren, sollte man die Zukunft Hessens nicht anvertrauen.

Cornelia Kaminski ist die Bundesvorsitzende der überparteilichen und überkonfessionellen Lebensschutzorganisation, Aktion Lebensrecht für Alle (ALfA) e.V.

Foto: Symbolbild


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