29. Oktober 2017 in Spirituelles
«Bevor wir in der Lage sind, Gott zu lieben oder den Mitmenschen Liebe zu erweisen, bedürfen wir selber der Liebe.» Predigt von Josef Spindelböck.
St. Pölten (kath.net/Sankt Josef)
30. Sonntag im Jahreskreis A (29.10.2017) L1: Ex 22,20-26; L2: 1 Thess 1,5c-10; Ev: Mt 22,34-40
Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!
Als Christen leben wir auf Zukunft hin. Was ist damit gemeint? Sind es die paar Jahre, die uns hier auf Erden wahrscheinlich noch geschenkt sind, bis wir alle einmal sterben müssen? Wir denken hier vor allem an die ganz große Zukunft, die uns bei Gott verheißen ist.
Von dieser Wirklichkeit des Reiches Gottes, die bereits unter uns gegenwärtig ist, die sich aber erst noch vollenden soll, spricht der Apostel Paulus im ersten Brief an die Thessalonicher. Der Apostel freut sich nämlich, dass sich seine Zuhörer und Adressaten von den Götzen zu Gott bekehrt haben, um dem lebendigen und wahren Gott zu dienen (1 Thess 1,9). Dieser wahre und einzige Gott aber hat uns seinen Sohn Jesus Christus gesandt. Ihn hat er von den Toten auferweckt, wie Paulus schreibt, und ihn erwarten wir am Ende der Tage vom Himmel her. Dann wird alles durch Gott vollendet werden.
Ausdrücklich spricht Paulus von der hoffnungsvollen Zuversicht, dass uns der Sohn Gottes Jesus Christus dem kommenden Gericht Gottes entreißt. (1 Thess 1,10).
Für jene, die an Gott glauben und ihn lieben, wird die sichtbare Wiederkunft Christi am Ende der Zeiten nämlich etwas Freudiges sein. Wir brauchen uns davor nicht zu fürchten, denn Gott hat uns durch seinen Sohn erlöst und Vergebung geschenkt. Jene letzte Scheidung der Menschen in Gute und Böse, von der Jesus bei seiner Gerichtsrede spricht (vgl. Mt 25), wird sich nach dem Maß der Barmherzigkeit vollziehen, die wir selber geübt haben. Wer sich in dieser Weise als der Nächste seines Mitmenschen erweist, braucht das Gericht Gottes nicht zu fürchten.
Der Weg, der zum Himmel führt, also zur ewigen Gemeinschaft mit Gott, ist ein Leben gemäß dem Gebot der Liebe, das uns Jesus gegeben hat (vgl. Mt 22,3739). Dies ist das Hauptgebot; es geht um die Gottes- und Nächstenliebe in ihrer Einheit. Alle übrigen Gebote leiten sich davon ab und sind damit verbunden. Wer den Nächsten wirklich liebt, tut ihm nichts Böses. Er sucht vielmehr nach Möglichkeiten, Gutes zu tun und dem Mitmenschen wohlwollend zu begegnen.
Schon im Alten Testament wurde der gläubige Jude eingeladen, sich um Fremde und hilflose Menschen anzunehmen, besonders auch um Witwen und Waisen. Jede Ausnutzung anderer zum eigenen Vorteil, jede habgierige Bereicherung zu Lasten der Armen, jede Form der Ungerechtigkeit und der Lieblosigkeit sind unvereinbar mit dem Glauben an den lebendigen Gott. Gott steht auf der Seite der Armen und Entrechteten. Wer mehr hat als andere, besitzt eine besondere Verantwortung. Nur derjenige, der sein Herz nicht an die irdischen Güter hängt, ist innerlich frei, um sich dem Mitmenschen zuzuwenden und um sein Herz zu Gott zu erheben.
Die Botschaft des Evangeliums stellt uns die Notwendigkeit vor Augen, Gott über alles und mit all unseren Kräften zu lieben; wir sollen den Nächsten lieben wie uns selbst. Dieses Gebot stellt eine enorme Herausforderung für einen jeden von uns dar. Und doch gilt: Bevor wir in der Lage sind, Gott zu lieben oder den Mitmenschen Liebe zu erweisen, bedürfen wir selber der Liebe. Diese hat Gott uns immer wieder geschenkt, vor allem in seinem Sohn Jesus Christus. Auch als Menschen empfangen wir immer wieder die Liebe unserer Mitmenschen. Wenn wir dies alles recht bedenken, dann ist unsere Liebe zu Gott und zum Nächsten eine Antwort auf das, was wir selber empfangen haben.
Gott verlangt nichts Unmögliches von uns; er schenkt uns seine Gnade. Er ist bei uns und geht den Weg des Lebens mit uns. In diesem Vertrauen halten wir Ausschau auf das Kommende und erwarten wir voll gläubiger Hoffnung unsere Vollendung. Für alle unsere lieben Verstorbenen aber, die uns schon vorausgegangen sind, wollen wir beten. Gott allein kennt ihr Herz und ihren guten Willen. Unsere Liebe reicht über das Grab hinaus; die kommenden Tage von Allerheiligen und Allerseelen machen uns die Gemeinschaft all jener, die von Christus erlöst sind, erneut bewusst.
Möge die Gottesmutter Maria, die wir im Rosenkranzgebet anrufen, unsere Fürbitterin sein bei Gott; ebenso empfehlen wir uns selbst sowie alle lebenden und verstorbenen Mitmenschen der Fürbitte des hl. Josef. Amen.
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